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Sonnenuntergang1

 


Leseprobe aus: Der Angriff auf die Wahrheit

KAPITEL 3

Kitzelnde Ohren

»Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen,
sondern nach ihren eigenen Lüsten sie sich selbst Lehrer aufhäufen
werden, weil es ihnen in den Ohren kitzelt; und sie werden die Ohren
von der Wahrheit abkehren und sich zu den Fabeln hinwenden. «

2. Timotheus 4,3-4

 Paulus lebte und wirkte über 600 Jahre nach dem Propheten Hesekiel. Der 2.Timotheusbrief war wahrscheinlich der letzte Brief, den Paulus um das Jahr 68 nach Christus schrieb. Paulus war am Ende seines Lebens angekommen und konnte auf die Jahre zurückblicken, in welchen er viele Gemeinden gegründet hatte und deren Wachstum, aber auch deren Probleme und geistliche Kämpfe miterlebt hatte. In seiner langen Tätigkeit als Missionar und Lehrer der Heiden war Paulus oftmals mit mancher Verführung unter Gottes Volk konfrontiert. Vorausblickend in seinem Geist erkannte er, dass die Gemeinde auch in Zukunft von den listigen Anläufen des Teufels nicht verschont bleiben würde.
   Der Apostel Paulus warnt Timotheus vor einer Zeit, in welcher Gottes Volk die gesunde Lehre nicht mehr ertragen wird (2Tim 4,3). Er prophezeit zum einen, dass die Gläubigen sich von der Wahrheit abwenden, und zum anderen, dass sie sich nach ihren eigenen Lüsten Lehrer anhäufen werden, »weil es in ihren Ohren kitzelt«. Das griechische Wort kitzeln (griech. knetho) ist ein Ausdruck »der Neugierde, die Interessantes oder Pikantes begierig aufsucht«. Neugierde liegt in der menschlichen Natur und ist die Triebfeder, nach Neuem und Unentdecktem zu suchen. Handelt es sich um intellektuelle Neugier, spricht man auch von Wissbegier. Emotionale Neugier hingegen stellt den Erlebniswert oder die persönliche Erfahrung in den Vordergrund. Paulus hatte wohl beides im Sinn, als er diese Worte niederschrieb. Fabeln, Mythen, neue Lehren und Erkenntnisse sollten die fehlgeleitete Wissbegier befriedigen, und neue Erfahrungen, Manifestationen und Erlebnisse sollten diese neuen Lehren begleiten. Paulus hatte bereits in 1. Timotheus 4,1 nachdrücklich durch den Geist gewarnt, »dass in späteren Zeiten (griech. kairois) manche vom Glauben abfallen werden, indem sie auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen achten«. In 2. Timotheus 3 sagte Paulus voraus, dass »in den letzten Tagen schwere Zeiten (griech. kairoi) eintreten werden, ... in welchen die Menschen eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen, ... und immer lernen und niemals zur Erkenntnis der Wahrheit kommen« (V. 1.5.7). Und ein weiteres Mal warnt Paulus im 2. Timotheusbrief, dass »eine Zeit (griech. kairos) sein wird, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen ... und sich von der Wahrheit abwenden werden« (2Tim 4,3-4). An allen drei Stellen verwendet Paulus das griechische Wort kairos,. welches abgegrenzter Zeitteil, Zeitwende bedeutet. In 2.Timotheus 4,3 spricht Paulus also von einer weiteren Zeitwende, einem weiteren »Stadium in den schon angebrochenen schweren Zeiten (2Tim 3,1)« der letzten Tage.
   Heinrich Langenberg deutet dieses Stadium als »gefährliche Zei­wenden in den letzten Tagen, in denen der Mensch der Gesetzlosigkeit, das antichristliche Wesen ausreifen muss ... Es beginnt mit einer Abneigung gegen die gesunde Lehre ...Es ist eigenartig, dass die Abneigung gegen dieses Evangelium so allgemein werden konnte in den Kreisen derer, die sich zu den Gläubigen zählen ... Aus dem Zusammenhang müssen wir schließen, dass ... nicht etwa die Gemeinde Gottes im Allgemeinen gemeint ist, sondern die aus derselben sich herauslösende antichristliche Richtung ... Das wird nun, wie Paulus mit prophetischem Blick voraussieht, sich unaufhaltsam weiterentwickeln.«Und weiter übersetzt Langenberg direkt aus dem Griechischen und kommentiert: »Und sie werden von der Wahrheit das Hören abwenden, sich aber zu den Mythen hinabkehrem (Vers 4). Das ist die notwendige weitere Entwicklung bei der grundverkehrten Einstellung. Zuerst kommt es zu einer Abwendung von der Wahrheit, und zwar wird das Hören (akoä) abgewendet. Gemeint ist das Herzenshören. Dieses ist nicht mehr der Wahrheit, der göttlichen Wirklichkeitzugekehrt, sondern empfänglich für die jüdischen Mythen oder Sagen. Dadurch kommt es zu einer völligen Abkehr und zum Einschlagen einer ganz anderen Richtung (ektrepesthai = sich heraus abkehren), heraus aus der ursprünglichen Linie (vgl. 1Tim 5,15).«
   Auch Fritz Rienecker weist darauf hin, dass das griechische Wort ektrepesthai einen radikalen Richtungswechsel andeutet, wenn er ausgehend von der griechischen Vorsilbe ek die Bedeutung des griechischen Verbs eingehender erläutert:»ek (>heraus aus<) setzt voraus, dass sie auf einem anderen Weg gegangen waren oder in anderen Gedanken sich bewegt hatten.« Wer sich von der Wahrheit abwendet, schlägt einen anderen Weg ein, bewegt sich in anderen Gedanken, oder — um es mit Langenberg auszudrücken — er verlässt die ursprüngliche Linie.
   Trotz aller Bemühungen des Timotheus werde die Abneigung gegendie gesunde Lehre zunehmen, so der Apostel Paulus. Heute scheint es, als ob dieses Wort sich vor unseren Augen erfüllt. Brian McLaren, Vertreter der Emerging Church, stellt allen Ernstes bezüglich der liberalen und konservativen Theologie die Frage: »Können Sie sich vorstellen,dass sich die beiden Gruppierungen irgendwie vereinen und wieder zusammen vorwärts gehen? Gibt es irgendeine andere Alternative?« Die liberale Theologie verneint die Göttlichkeit Jesu, die Autorität und Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift, die biblische Schöpfungslehre, die Jungfrauengeburt und alles Ãœbernatürliche. Wer sich von der Wahrheit der gesunden Lehre abwendet, wird eine andere Richtung einschlagen und sich den postmodernen, liberalen, humanistischen Fabeln zuwenden. Brian McLaren ist ein ausgezeichneter Redner, der es versteht, seine Zuhörer mit Bildern und Erzählungen in den Bann zu ziehen. Seine Argumente scheinen gut anzukommen, zählt er doch zu den führenden Vertreter der Emerging Church, die immer größeren Zulauf für sich verbuchen kann.
   Neue Denkansätze, Lehren, Methoden und Praktiken sind nicht nur in der Emerging Church zu verzeichnen. Man trifft sie auch in vielen anderen neoevangelikalen Strömungen und vor allem in der charismatischen Bewegung an. Das Interesse für das Außergewöhnliche, das Neue und noch nie Dagewesene ist groß in diesen Tagen. Wundersucht und die Neugier nach immer neuen Erfahrungen ist besonders unter Charismatikern zu beobachten. Dem Zuhörer soll etwas geboten werden. »Gottesdienst erleben« findet man auf Einladungen oder als Plakat über Gemeinden. Der Mensch will etwas erleben, und er will unterhalten werden – auch in der christlichen Gemeinde. »Die meisten Frommen ahmen nicht mehr das Reich Gottes nach, sondern die Welt um sie herum. Der Glaube unserer Väter ist an vielen Orten zur puren Unterhaltung verkommen, und was ihnen eine Herausforderung und ein Ansporn war, hat man auf das Niveau der Masse heruntergeschraubt.« Dies ist nicht etwa die Beurteilung der gegenwärtigen Situation der Gemeinde Christi. Dies schrieb A. W. Tozer schon vor über 50 Jahren. Dieser Trend, den er schon damals beobachtete, hat eine schleichende Verbreitung in vielen Gemeinden gefunden.
   Und offensichtlich finden sich Lehrer genug, um die Wünsche und Bedürfnisse einer neuen Generation von Christen zu stillen. Dass die Christen selbst es sind, die sich Lehrer anhäufen, weist noch auf ein weiteres Merkmal dieser letzten Tage hin. Diese Lehrer sind nicht von Gott berufen und in den Dienst gestellt. Es fehlt ihnen die göttliche Sendung. Was sie aufweisen können, ist lediglich ein menschliches Mandat. Ohne wahre Berufung und göttliche Sendung kann das wahre Evangelium aber nicht wirkungsvoll verkündigt werden. »Wie aber werden sie predigen, wenn sie nicht gesandt sind?« (Röm 10,15). Die klare Botschaft der Bibel wird vielerorts durch eine Botschaft ersetzt, die in den Ohren der Evangelikalen kitzelt. Mit unterhaltsamen und amüsanten Geschichten, emotionalen Aufrufen, Zurschaustellung »geistlicher« Erfahrungen und Offenbarungen werden die Ohren vieler Gläubiger gekitzelt. Die verstandesmäßige wie emotionale Neugier einer neuen Generation von Zuhörern muss gestillt werden. Die Predigt, die sie hören, fordert nicht länger heraus, ein heiliges Leben in der Nachfolge Christi zu führen. Die Botschaft muss »erbauend«, darf keinesfalls »ermahnend« sein. Viele dieser Prediger sind heute sehr populär. Die Geschichte wiederholt sich. Das Volk Gottes baut Mauern, und die Starprediger übertünchen sie mit der Tünche ihrer Halbwahrheiten und ihrer pseudochristlichen Fabeln.
   Das Wort vom Kreuz ist grundlegend verändert worden. Aus der Kreuzestheologie wurde oftmals eine einseitige und verzerrte Segens- und Siegestheologie gemacht. A. W. Tozer gilt vielen als Prophet des 20. Jahrhunderts, weil er mit klarem und scharfem Blick falsche geistliche Strömungen erkannte und sie treffend in Worte gießen konnte. Er schreibt schon in den 1950er-Jahren, dass das Kreuz der modernen Christenheit nicht mehr das Kreuz des Neuen Testaments ist: »Es gleicht vielmehr einem neuen, strahlenden Amulett am Halse einer selbstsicheren und fleischlich gesinnten Christenheit, deren Hände die Hände Abels sind, deren Stimme aber die Stimme Kains ist. Das alte Kreuz tötete Menschen, das neue bietet ihnen Unterhaltung. Das alte Kreuz verdammte, das neue amüsiert. Das alte Kreuz zerstörte alles Vertrauen auf das Fleisch, das neue Kreuz ermutigt es. Das alte Kreuz brachte Tränen und Blut, das neue Lachen und Fröhlichkeit. Lächelnd und selbstsicher singt und predigt das Fleisch vom Kreuz; vor dem Kreuz verbeugt es sich ...; aber sterben will es nicht an diesem Kreuz, und seine Schmach zu tragen weigert es sich.«
  
Wenn Paulus davon spricht, dass »sie ihre Ohren von der Wahrheit abkehren werden« (2Tim 4,4), meint er nicht etwa die Ungläubigen, denen der Gott dieser Welt den geistlichen Blick verfinstert. Er spricht von den Gläubigen, denen der Verführer Lüge zuflüstert, so wie er es bei Eva im Paradies tat. Unaufhörlich flüstert der Verführer ihnen seine Halbwahrheiten und Lügen zu, bis sie ihr Hören von Gottes Wahrheit wegwenden und ihm Gehör schenken. Sich von der Wahrheit abkehren ist im Griechischen eine aktive Zeitform, also etwas, was der Zuhörer selbst tut, damit ist er für sein Tun verantwortlich. Vor allem eine Vielzahl charismatischer Christen folgt bedenkenlos ihren Leitern, zudenen sie nicht selten ehrfurchtsvoll aufblicken und ohne es zu merken einem Starkult Vorschub leisten, der vor Gott ein Gräuel ist. Sollten deren Predigten noch gefolgt sein von vermeintlichen Zeichen und Wundem, dann sehen dies viele Charismatiker erst recht als eine Be­glaubigung für ihren »Mann Gottes« an. Aus Glauben ist oftmals Leichtgläubigkeit geworden. Gehorsam den geistlichen Führern gegenüber mahnt die Schrift durchaus an; einen blinden Gehorsam gegenüber Leitern oder Propheten hingegen verlangt sie nicht. Im Gegenteil: Schon im mosaischen Gesetz, also lange Zeit bevor die großen Schriftpropheten Israels wirkten, warnt Gott sein Volk: »Wenn. in deiner Mitte ein Prophet aufsteht oder einer, der Träume hat, und er gibt dir ein Zeichen oder ein Wunder, und das Zeichen oder das Wunder trifft ein, von dem er zu dir geredet hat, indem er sagt: Lasst uns anderen Göttern — die du nicht gekannt hast —nachlaufen und ihnen dienen, dann sollst du nicht auf die Worte dieses Propheten hören oder auf den, der die Träume hat. Denn der Herr, euer Gott, prüft euch, um zu erkennen, ob ihr den Herrn, euren Gott, mit eurem ganzen Herzen und mit eurer ganzen Seele liebt. Dem Herrn, eurem Gott, sollt ihr nachfolgen, und ihn sollt ihr fürchten. Seine Gebote sollt ihr halten und seiner Stimme gehorchen; ihm sollt ihr dienen und ihm anhängen« (5Mo 13,2-5). Selbst Zeichen und Wunder galten niemals als höchstes oder gar einziges Kriterium für die göttliche Sendung eines Propheten. Gott gibt überdies ein sehr hartes Gebot, wenn sich ein Prophet als falsch erweisen sollte: »Und jener Prophet oder der, der die Träume hat, soll getötet werden. Denn er hat Abfall vom Herrn, eurem Gott, gepredigt ...«(5Mo 13,6). Das wichtigste Kennzeichen eines wahren Propheten ist, dass seine Botschaft die Menschen zu wahrem Gottesdienst führt, damit sie »den Herrn, ihren Gott, mit ihrem ganzen Herzen und mit ihrer ganzen Seele lieben, sie ihrem Gott nachfolgen und ihn fürchten, sie seine Gebote halten und seiner Stimme gehorchen, sie ihm dienen und ihm anhängen«. Das Halten der Gebote Gottes ist stets die Frucht wahrer Liebe zu Gott und ein Zeichen treuer Nachfolge. Das hat auch Jesus gelehrt: »Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt« (Job 14,21). Doch der Apostel Paulus weist Timotheus, seinen Sohn im Glauben, noch auf eine weitere Wahrheit hin. Jeder Gläubige, der sich von der Wahrheit abwendet, entfernt sich unweigerlich immer weiter von Gott. Er wird zu den Fabeln hingewandt werden, wie man das griechische Passiv übersetzen könnte. Was mit einem aktiven Willensentschluss, dem Abwenden von der Wahrheit beginnt, endet mit einem passiven Hineingezogenwerden in den Sumpf der Fabeln der Unwahrheit.

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