hauskreis4

Sonnenuntergang1

 


Leseprobe aus: Projekt Einheit

Kapitel 7
Die Alternative: biblische Einheit (HWD)

Als Jugendlicher, etliche Jahre vor meiner Bekehrung, habe ich der katholisch-ökumenischen Fokolar-Bewegung angehört. Dort wurde gelehrt, Jesus habe für die Einheit aller Menschen gebetet und als Christen sei es unsere Aufgabe, auf eine solche allumfassende Einheit hinzuwirken. Als ich später begann, selbständig in der Bibel zu lesen, musste ich feststellen, dass diese Behauptung völlig falsch ist, denn im betreffenden Bibeltext steht etwas ganz anderes. Das Gebet Jesu für die »Einheit« fi ndet sich in Johannes 17. In diesem Kapitel betet der Herr Jesus für die Einheit der Gläubigen, d. h. für die Einheit derer, die ihm nachfolgen (Joh 17,20-21). In diesem Abschnitt, dem so genannten hohepriesterlichen Gebet, spricht der Herr von zwei Menschengruppen: a) von den Gläubigen, d. h. seinen Jüngern und denen, die durch sie gläubig werden, und b) von der »Welt«. Der Herr sagt, dass er nur für die erste Gruppe betet und ausdrücklich »nicht für die Welt« (Vers 9) Dem Bibeltext zufolge beschreibt der Herr Jesus diese beiden Gruppen wie folgt:

a) Die Jünger und späteren Generationen von Gläubigen:

der Vater hat sie dem Herrn Jesus gegeben (V. 2.9.24)
sie haben durch Jesus Christus ewiges Leben empfangen (V. 2)
sie haben Gott bzw. Jesus Christus erkannt (V. 3)
hnen wurde der Name Gottes geoffenbart (V. 6.26)
sie haben das Wort Gottes angenommen (V. 7-8.14)
sie haben geglaubt, dass Jesus von Gott ausgegangen ist (V. 8)
sie gehören Gott bzw. dem Herrn Jesus (V. 9.10)
der Vater wird sie in der Welt bewahren, damit sie eins sind (V. 11)
keiner von ihnen ist verloren – außer Judas (V. 12)
sie sollen Jesu Freude in sich haben (V. 13)
die Welt hasst sie (V. 14)
sie sind nicht von der Welt (V. 14.16)
sie werden durch die Wahrheit, d. h. das Wort Gottes, geheiligt (V. 17)
sie sind in die Welt gesandt (V. 18)
sie sollen Geheiligte sein (V. 19)
sie sollen in einer Einheit mit Gott und untereinander verbunden sein. Diese Einheit ist also in einer gemeinsamen Beziehung zu Gott begründet (V. 21)
Gott hat Großartiges mit ihnen vor (V. 22-26)

b) »Die Welt«

ist die Menschengruppe, in der sich die Jünger vor ihrer Berufung zum Glauben befanden (V. 6)
 für sie betet Jesus nicht (V. 9)
sie hasst die Gläubigen, weil diese »weltfremd« sind (V. 14)
durch das »Böse« in ihr ist sie eine Bedrohung für die Jünger (V. 15)
zu ihr sind die Jünger von Gott gesandt (V. 18)
sie soll durch das Zeugnis der Jünger glauben (V. 21)
sie soll durch die Einheit der Jünger erkennen, dass Jesus von Gott gesandt ist (V. 23)
hat Gott nicht »erkannt« (V. 25)

Aus diesen biblischen Aussagen wird unmittelbar klar: Christen (d. h. Jünger Jesu, siehe Apg 11,26, wo die Bezeichnung »Christen« erstmals vorkommt) sind eine Gruppe von Menschen, die a) ewiges Leben haben – im Gegensatz zu allen anderen – sie sind »wiedergeboren « (siehe Joh 3,3.5; 1 Petr 1,23), b) eine persönliche Beziehung zu Gott haben (ihn »erkannt« haben), c) heilig leben, nämlich nach dem Wort Gottes, d) von der Welt gehasst werden, e) unter sich eins sind durch die Fürbitte Jesu und ihre enge Beziehung zu Gott (d. h. sie können und brauchen nicht vereint werden durch menschliche Organisationen), und die f) auf keinen Fall eine Einheit mit der »Welt« suchen sollen, sondern als Salz und Licht einen Kontrapunkt zu dieser Welt bilden.
Um nicht missverstanden zu werden: Die Behauptung a), dass nur Christen ewiges Leben haben, bezieht sich nicht anmaßend auf eine Volksgruppe oder auf Kirchenmitgliedschaft, welcher man aufgrund von Abstammung, Kulturkreis oder Mitgliedschaft angehört. Die Bibel lehrt klar, dass ewiges Leben jeder und nur der empfängt, der das Evangelium von Jesus Christus hört und wirklich glaubt. Es ist Gottes Wille, dass Menschen aller Völker, Nationen und Kulturen das Evangelium hören und glauben. Wer immer dem Evangelium glaubt und Jesus als Herrn bekennt und ihm nachfolgt, ist »Christ« im biblischen Sinne.
Die Einheit unter Christen ist also Gottes Werk. Mit der Wiedergeburt (Joh 3,3-10) versetzt Gott den Bekehrten in sein Reich, in Christus. Der Gläubige wird in die Gemeinde eingepfl anzt, wird ein Glied am Leib Christi und ein Stein am geistlichen Tempel. Er genießt eine innige Gemeinschaft der Verbundenheit mit Gott und dadurch mit den anderen Gläubigen. Genau das beschreibt der Herr in Johannes 17,21-23.
  Dem Gebet Jesu zufolge beinhaltet die Einheit aber auch, dass die Jünger zuerst »geheiligt« werden in der »Wahrheit«. Genau das ist der logische Gedankengang des Gebetes Jesu. Er bittet für sie: »Heilige sie in der Wahrheit« (Vers 17) und nennt dann den Grund bzw. das Ziel dieser Heiligung: »… damit sie alle eins seien« (Vers 21). Die Wahrheit, so erklärt der Herr in Vers 17, ist Gottes Wort: »Dein Wort ist die Wahrheit.« Christen werden also dadurch untereinander eins und einig, wenn sie das Wort Gottes hören, lesen, studieren, glauben und befolgen. Sie sind dann auf einer Wellenlänge. Dann haben sie keine verschiedenen »Frömmigkeitsstile« mehr, sondern nur noch den einen Frömmigkeitsstil der Nachfolge und des Nachahmens Jesu. Durch die heute beliebten Begriffe »Toleranz«, »Vielfalt«, »Frömmigkeitsstile« usw. versucht man eine Einheit zu rechtfertigen, die ohne diese »Heiligung in Wahrheit« auskommt.
  In der evangelikalen Einheitsbewegung wird zudem eine entscheidende Aussage aus Johannes 17 weitgehend falsch verstanden: Man will eine sichtbare Einheit erstreben – genau wie der Ökumenismus es will – um damit ein evangelistisches Zeugnis vor der Welt zu sein. Doch dieser Vers besagt nicht, dass die Welt eine sichtbare christliche Einheit erkennen und dadurch gläubig werden soll, sondern dass allein durch eine geistliche, unsichtbare Einheit die Christen zu wirksamer Evangelisation befähigt sind. Die Welt kann ebenso wenig die geistliche Einheit der wahren Christen erkennen, wie sie die Einheit der drei Personen Gottes erkennen kann (siehe Vers 22-23). Aber die geistliche, in Gott begründete Einheit verleiht den Christen die Kraft und Wirksamkeit zur Evangeliumsverkündigung in der Welt.

Drei biblische Beschreibungen der Einheit

In Epheser 4, einem zentral wichtigen Kapitel zum Thema Einheit, beschreibt Paulus die Einheit der Gemeinde unter drei verschiedenen Aspekten: als den einen Leib Christi, als »Einheit des Geistes« und als »Einheit des Glaubens«.

a) Die Einheit des Leibes

Der Wiedergeborene gehört zur einen, weltweiten Gemeinde – der Gemeinschaft aller wahren Christen. Die Gemeinde wird in der Bibel der »Leib Christi« genannt (Röm 12,4-5; 1Kor 12,12ff, Eph 1,23 u.a.) und die Gläubigen sind die »Glieder« dieses Leibes. Wir müssen bedenken, dass dies nicht nur ein Bild ist, sondern eine geistliche, echte Realität. Es gibt tatsächlich diesen Leib, auch wenn er jetzt noch nicht offenbar ist. Christus, das Haupt dieses Leibes (Kol 1,18), ist im Himmel, die Gläubigen hingegen auf der Erde und auf unsichtbare Weise mit ihm und untereinander verbunden.
  Doch wir müssen damit leben, dass diese Einheit des Leibes unsichtbar ist – und es bis zur Wiederkunft Jesu bleiben wird. Die Ökumene- und Einheitsbestrebungen zielen jedoch gerade auf eine sichtbare und erkennbare Einheit ab. Aber wir leben nicht in der Zeit des Schauens, sondern des Glaubens. Die Dinge, die Gott im Verborgenen hält, müssen verborgen bleiben, bis er sie offenbart.
  Doch die Tatsache bleibt: Es besteht eine dynamische, reale Einheit zwischen allen wahren Gläubigen untereinander und Christus selbst. Nichts ist dieser Einheit hinzuzufügen und nichts kann davon weggenommen werden! Wenn ein Leib in Einzelteile zerteilt und zersplittert ist, dann ist er kein Leib mehr, sondern eine Leiche! Das wird mit der Gemeinde niemals geschehen.
  Wenn es unsere Aufgabe wäre, etwas für die Einheit des Leibes zu tun, dann müssten wir tatsächlich Gemeinschaft und Verbundenheit mit allen möglichen Christen und Namenschristen suchen. Dabei käme ein heilloses Gemisch und Durcheinander zustande, denn letztlich ist es für uns verborgen, wer nun wirklich zum Leib gehört und ein Glied der wahren Gemeinde ist. Der Grundsatz ist: »Der Herr kennt, die sein sind, und: Jeder, der den Namen des Herrn nennt [sich Christ nennt], distanziere sich von der Ungerechtigkeit « (2Tim 2,19). Wir können letztlich keine uneinge chränkte Gemeinschaft mit allen möglichen christlichen Kreisen
suchen, sondern vielmehr sollen wir uns von solchen Christen distanzieren, die Irrlehren vertreten oder Böses tolerieren! »… strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Frieden, Liebe mit denen, die den Herrn aus reinem Herzen anrufen« (die Fortsetzung des o.g. Verses in 2Tim 2,22).

b) Die »Einheit des Geistes«

Nicht die Christen sind für das Erhalten der Einheit des Leibes zuständig, sondern Gott; dieser Leib ist sein Werk. Warum gibt es dann aber so schrecklich viel Uneinigkeit unter Christen? Weil die Christen sehr wohl verantwortlich sind für die »Einheit des Geistes «, von der in Epheser 4,3 die Rede ist: »Befl eißigt euch, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens!« Das ist leider sträfl ich vernachlässigt worden. Es verunehrt Gott, wenn Christen lieblos miteinander umgehen oder sich wegen ihrer stolzen eigenen Meinungen zerstreiten. Es verunehrt Gott auch, wenn eine Gruppe von Christen beginnt, Sonderlehren zu vertreten, sich mit einem speziellen Namen bezeichnet oder irgendwie versucht, sich als etwas Besonderes darzustellen – und sich somit von anderen Christen abtrennt. Und natürlich verunehrt es Gott erst Recht, wenn Christen sich mit Sünde, Bösem, Weltlichkeit, Irrlehren etc. einlassen, und somit anderen Christen, die dem Herrn treu sein wollen, letztlich nichts anderes übrigbleibt, als sich von ihnen zu distanzieren (nachdem sie zunächst nach Mt 18,15-20 eine Zurechtbringung erstrebt haben). Die »Einheit des Geistes« ist also keine uneingeschränkte Gemeinschaft aller Christen untereinander. Einheit des Geistes besteht leider meist nur unter einem Teil der Christen – hoffentlich in den örtlichen Gemeinden und innerhalb überörtlicher Gemeindekontakte (siehe z. B. Phil 1,27). Sie ist die familiäre Einheit der sich gegenseitig liebenden Kinder Gottes (1Jo 2,10; 3,10; 4,20). Wer den Heiligen Geist nicht betrübt, sondern von ihm erfüllt ist, wer den Vater und den Sohn liebt und sein Wort hält, genießt diese Einheit und liebt auch die Geschwister. Sie ist keine Einheit unter Kirchenmitgliedern, von denen einige wiedergeboren sind und andere nicht. Es ist auch keine kompromissgeprägte Einheit unter Gläubigen, von denen einige geistlich und heilig leben, und die anderen lieber weltförmig sein wollen oder in Sünde leben. Es ist eben eine Einheit des Geistes – eine Einheit geisterfüllter und vom Heiligen Geist zusammengeschweißter Christen. Wenn jemand durch Sünde und Eigensinn das Band dieser Einheit lockert, wird er durch liebevolle Seelsorge zurückgeholt; es wird für ihn gebetet, dass Gott ihm Buße gebe; dann wird er Vergebung empfangen. Doch kann diese Einheit nicht durch künstliche, menschliche Maßnahmen hergestellt werden. Wenn Gott sie schenkt, kann und soll sie von uns bewahrt werden. Hier ist auch sehr wichtig zu beachten, dass im Neuen Testament der Heilige Geist und das Wort Gottes aufs Engste zusammengehören. Es hat stets Verwirrung und Übel hervorgerufen, wenn Christen Erfahrungen mit dem Heiligen Geist getrennt vom Wort Gottes suchten. Der den Aposteln verheißene Heilige Geist hat uns durch diese Apostel das Neue Testament gegeben. Dieses Wort Gottes ist das Vermächtnis der einzigartigen Geisteswirkungen zu apostolischer Zeit. Der Bibel nach ist es geradezu gleich, mit dem Heiligen Geist und mit dem Wort Gottes erfüllt zu sein (vgl. Eph 5,18-19 mit Kol 3,16). »Das Wort« ist Gott (Joh 1,1) und kam in Jesus Christus und dem Heiligen Geist zu uns Menschen. Deshalb bedeutet »Einheit des Geistes« eins zu sein in der Wahrheit – im »Geist der Wahrheit« und damit im »Wort der Wahrheit«.

c) Die »Einheit des Glaubens«

Aufschlussreich ist auch, dass gerade dieses Kapitel Epheser 4 lehrt, dass Einheit unter Christen vermehrt und gestärkt wird durch die Zurüstung und Belehrung der Gläubigen (Vers 11-12). Dadurch »gelangen wir hin zur Einheit des Glaubens« (Vers 13), zur gemeinsamen, klaren Erkenntnis Jesu Christi. Deshalb sollen wir Lehre nicht als nebensächlich ansehen und »mehr Grillfeste als Grundsatzdiskussionen« haben – wie es unter Evangelikalen manchmal gefordert wird, sondern ganz im Gegenteil sollen wir in der Lehre gefestigt werden: »Denn wir sollen nicht mehr Unmündige sein, hin- und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre durch die Betrügerei der Menschen, durch ihre Verschlagenheit zu listig ersonnenem Irrtum« (Vers 14). Wenn Christen sich ein Herz nehmen und a) »die Wahrheit reden« (Vers 15a) und zwar b) »in Liebe« (Vers 15b), werden sie die von Gott gegebene Einheit untereinander bewahren und noch mehr zu echter, ausgereifter, aktiver Einheit zusammenwachsen. Möge der Herr uns beharrliche Geduld, brennende Liebe und eifrigen Fleiß geben, einander zu belehren, zu ermahnen, zu korrigieren usw., um diese Einheit des Glaubens, diese gemeinsame Freude an allem, was Christus ist, zu erkämpfen!

Biblische Aufforderungen zur Trennung und Absonderung

Wenn wir die Lehre der Bibel zum Thema Einheit möglichst umfassend und ausgewogen darstellen möchten, dürfen wir uns nicht auf die positive Seite beschränken, sondern müssen auch fragen, ob die Bibel dazu auffordert, sich unter bestimmten Umständen von anderen Christen zu trennen. Auch Rudolf Westerheide, Referent der Evangelischen Allianz, schreibt: »Einheit bedeutet gleichzeitig immer auch Abgrenzung … Wo es ein Drinnen gibt, gibt es notwendigerweise auch ein Draußen.«169  Nach dem Allianzverständnis sind jedoch alle »drinnen«, die sich als gläubige Christen bekennen. Abgesehen davon, dass dadurch leicht viele gar nicht wiedergeborene Namenschristen der Einheit zugerechnet werden, stellt die Bibel jedoch auch Gläubige manchmal nach »draußen«. Z. B. schreibt Paulus in 1. Korinther 5 über ein unbußfertiges Gemeindeglied: »Tut den Bösen von euch selbst hinaus « (1Kor 5,13).
  Das Neue Testament nennt mehrere Umstände, unter denen Christen sich von anderen Gläubigen trennen sollen:

  Treue Gläubige sollen sich von sektiererischen, parteigeistigen Menschen abwenden (Röm 16,17; Tit 3,10). Das sind Menschen, die Sondergruppen unter Christen bilden wollen – durch Sonderlehren, Irrlehren, Personenkult, Exklusivansprüche, persönliche Streitigkeiten etc.
  Treue Gläubige sollen solche aus ihrer Gemeinschaft ausschließen, die trotz mehrfacher Ermahnung unbußfertig an ihren Sünden festhalten (1Kor 5,11; Mt 18,17)
  Treue Gläubige sollen sich von solchen abwenden, die zwar äußerlich religiös sind, aber die lebensverändernde Kraft Gottes leugnen (2Tim 3,5).
  Treue Gläubige sollen keine Gemeinschaft mit Irrlehrern haben, die z. B. die Auferstehung leugnen. Stattdessen sollen sie Abstand nehmen von aller Ungerechtigkeit, und Gemeinschaft suchen mit gottesfürchtigen Christen (2Tim 2,16-22). Sie sollen sich auch von solchen distanzieren, die eine unbiblische Lehre über Jesus Christus vertreten, z. B. seine Gottheit leugnen (2Jo 1,10).
  Treue Gläubige sollen Gemeinschaft mit »unordentlich lebenden « Christen vermeiden, die sich z. B. weigern zu arbeiten (2Thes 3,6-11).

So schmerzlich es sein kann, diesen Anweisungen Folge zu leisten, wird es wahre Einheit nur dann geben, wenn Gläubige sich an diese Richtlinien halten. Wer diesen Aufforderungen zur Trennung nicht nachkommt, wird eine nicht klar umrissene Gemeinschaft bilden mit ungehorsamen Menschen, deren Beziehung zu Gott gestört ist oder gar nicht besteht.
  Eine Einheit zeichnet sich nicht nur durch Verbundensein aller Glieder aus, sondern auch durch Abgrenzung aller dieser Glieder von allem anderen. Sind siamesische Zwillinge eine oder zwei Personen? Natürlich zwei, aber die Einheit des einen ist durch seine Verbindung mit dem anderen gestört. In einer Ehe sind Mann und Frau nur dann wirklich »eins«, wenn keiner von beiden noch andere intime Beziehungen hat – sonst wird ihre eheliche Einheit unterwandert und zersetzt. Die Trinkwasserversorgung einer Stadt ist eine Einheit, die durch verbundene Rohre gebildet wird. Wenn nun aber versehentlich eines der Rohre gleichzeitig mit dem Abwassersystem verbunden ist, bildet das Trinkwassersystem keine Einheit mehr, sondern ist offen und mit allen anderen, schmutzigen Gewässern verbunden. Verbindungen, die gebotene Abgrenzungen aufl ösen, darf es aber für Christen nicht geben, denn »welche Verbindung haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? Und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? Oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen?« (2Kor 6,14-15)
. Für diese biblische Absonderung ist sowohl der Einzelne verantwortlich als auch die ganze Ortsgemeinde, insbesondere ihre Hirten und Führungspersonen. Doch in der heutigen evangelikalen Bewegung ist die biblische Lehre von Absonderung und Gemeindezucht nicht nur unliebsam geworden, sondern wird auf breiter Front ignoriert. Ist die Einheit, die die Evangelische Allianz und ihre Gleichgesinnten erstreben, vielleicht gerade deshalb zum Scheitern verurteilt, weil Gottes Gebot der Absonderung missachtet wird? Der Ruf nach Einheit wird oft mit dem evangelistischen Zeugnis vor der Welt begründet. Doch tut es diesem Zeugnis keinerlei Abbruch, wenn man sich von Irrlehren, Unmoral und Toleranz gegenüber dem Bösen distanziert. Im Gegenteil zersetzt fehlende Absonderung und Gemeindezucht die Einheit der treuen Gläubigen. Und Untreue gegenüber dem Wort Gottes nützt gewiss nicht dem evangelistischen Zeugnis.

Vielfalt oder Einheitlichkeit?

Wenn unter Christen ein »Unwort des Jahres« gewählt würde, dann würde ich das Wort »Frömmigkeitsstile« dafür vorschlagen. Mit dieser Wortschöpfung versucht man offenbar schönzureden, dass es unter dem ökumenischen Dach krasse Widersprüche in der Auffassung gibt, wie Gott anzubeten ist. Da stehen die einen Christen Weihrauch schwenkend vor Ikonen, andere reißen durch Rockmusik aufgeheizt in Discobeleuchtung enthusiastisch die Arme in die Höhe, wieder andere widmen sich dem Bibelstudium und schlichten Gottesdiensten. Ganz im Sinne des aktuellen Weltgeistes, des Postmodernismus und Pluralismus, versucht man nun mit dem Begriff »vielfältige Frömmigkeitsstile« diesen verschiedenen Auffassungen von Anbetung eine Berechtigung zuzusprechen. Unter Berufung auf das biblische Gebot, andere nicht zu richten, sollen alle möglichen unbiblischen Abarten des Gottesdienstes toleriert werden. Richten und verurteilen ist jedoch etwas anderes als prüfen und urteilen, und ein durch die Bibel erleuchteter und geschärfter Verstand erkennt, was falsch und was richtig ist – was der Wille Gottes ist und was nicht. Das zu »prüfen«, fordert uns die Bibel klar auf (Röm 12,2; Eph 5,10, 1Thes 5,21; 1Jo 4,1).
  Der vielzitierte Vers 1. Thessalonicher 5,21 wird hier oft falsch angewendet oder sogar missbraucht: »Prüft aber alles, das Gute haltet fest!« Das wird oft verstanden als Aufforderung, in allem etwas Gutes zu entdecken und dies als Berechtigung der ganzen Sache anzusehen, z. B. einem »Jesus-Kinofilm«, der zwar viel Falsches und Schreckliches enthält, aber auch einige positive Aspekte hat. Übersehen wird dabei, wie der Zusammenhang weitergeht: »Von aller Art des Bösen haltet euch fern!« (1Thes 5,21). Die Schrift lehrt hier also erstens, dass wir alles, auch was den Anspruch des Christlichen hat, prüfen (beurteilen) und dann die Konsequenz ziehen sollen. Wenn Böses mit im Spiel ist – auf jeden Fall die Finger davon!
  Kennt die Bibel unterschiedliche »Frömmigkeitsstile«? Ja, gleich auf den ersten Seiten fi nden wir ein Brüderpaar, das ganz verschiedene Anbetungsstile praktizierte: Kain und Abel. Allerdings zeigt ihre Geschichte eindeutig, welcher »Stil« Gott wohlgefällig war und welcher nicht. Kains Problem war, dass er nicht nach dem Willen Gottes gefragt hat, sondern eigenwillig war. Wenn wir als Christen einig in der Wahrheit werden wollen, muss jeder Eigenwille und jeder bevorzugte »Frömmigkeitsstil« abgelegt werden. Stattdessen müssen wir in der Bibel nach dem einen Willen und Wohlgefallen Gottes suchen. Dieser Blickwinkel, was Gott wohlgefällig ist, verschwindet heute jedoch oft unter der rein vertikal (irdisch) ausgerichteten Gesinnung des Humanismus und der menschlichen Toleranz.
  Die Bibel lehrt, dass die Gemeinde eine Einheit aus verschiedenen »bunten« Bestandteilen ist – Menschen beiderlei Geschlechter, jeden Alters, aller Herkunft, Klassen und Völker sind darin vorbehaltlos vereint. Eine weitere Vielfalt besteht in den verschiedenen Gaben. Auch die Aufgaben, Rechte und Pfl ichten von Mann und Frau sind verschieden. Aber in anderen Bereichen ist die Gemeinde strikt einheitlich: in Sachen wie z. B. Anbetung, Moral, Gemeindestruktur und Nachahmung Jesu gibt es nicht mehrere Wahrheiten. Das wäre Postmodernismus. Die Bibel ist in vielen Bereichen von Lehre und Lebenspraxis sehr klar und eindeutig, und in diesen Bereichen müssen wir treu für die eine göttliche Wahrheit kämpfen. Auch wenn es heute nur wenige sind, die »für den ein für allemal den Heiligen überlieferten Glauben kämpfen« (Jud 1,3) und von denen der Herr sagt: »Du hast mein Wort bewahrt« (Offb 3,8), wollen wir uns nicht vom Herdentrieb der großen Ökumene mitreißen lassen. Biblische Einheit ist kein postmodernes Sammelsurium, sondern Einheit in der Wahrheit. »Heilige sie in der Wahrheit! Dein Wort ist die Wahrheit … [Dies bitte ich] damit sie alle eins seien« (Joh 17,17-21).

Die Kraft und Einheit der Ortsgemeinde

Mit großer Besorgnis habe ich immer wieder beobachtet, wie Werke und Organisationen außerhalb oder über der Ortsgemeinde die Gemeinde berauben und Mitarbeiter und Kraft aus der Gemeinde herausziehen. Viele engagieren sich von Herzen in gemeindeunabhängigen Werken, doch in ihrer Heimatgemeinde besteht ein dringender Mitarbeitermangel. Dienste wie Bibelunterricht, Seelsorge, gemeinsame Evangelisation, Kinderstundenarbeit usw. können verwahrlosen, wenn die begrenzten Kräfte und Ressourcen außerhalb der Gemeinde investiert werden.
Auch das weltliche Schlagwort »global denken, lokal handeln« hat in evangelikale Kreise Eingang gefunden. Aber ist dieses Prinzip biblisch? Sollen wir nicht auch und vor allem »lokal denken«? Der Herr Jesus ist es, der den globalen Überblick hat, und wir sollen treu im Kleinen vor Ort ihm dienen. Natürlich sollen wir nicht den weltweiten Blick außer Acht lassen und weltweit für Mission, verfolgte Christen usw. beten. Aber wie leicht verlieren wir uns in großartigen Visionen und übersehen die bescheidenen, aber notwendigen Dinge vor unseren Füßen! In unserer Zeit, in der das Gericht über das Haus Gottes und die Welt bevorsteht, gilt das Wort an Baruch: »Und du, du trachtest nach großen Dingen für dich? Trachte nicht danach! Denn siehe, ich bringe Unheil über alles Fleisch, spricht der H
ERR, aber dir gebe ich dein Leben zur Beute an allen Orten, wohin du ziehen wirst« (Jer 45,5).
  Die örtliche Gemeinde ist die einzige biblisch berechtigte Institution. Gott hat uns nicht beauftragt z. B. Bibelschulen oder christliche Bekenntnisschulen zu gründen, sondern in der örtlichen Gemeinde zu dienen. Damit will ich nichts gegen Bibelschulen und christliche Schulen sagen – im Gegenteil. Diese können von örtlichen Gemeinden getragen sein und die Gemeinden stärken. Aber sogar Missionswerke hat Gott nicht zu gründen befohlen – das erste und einzige »Missionswerk« in der Bibel ist die Ortsgemeinde. In Apostelgeschichte 13 wurden Barnabas und Paulus in der Gemeinde in Antiochia vom Heiligen Geist auf die erste Missionsreise gesandt. Wie gesagt, nichts gegen solche Werke, im Gegenteil – nur der Fokus muss die Ortsgemeinde bleiben. Evangelisation geschieht letztlich, damit biblische Gemeinden entstehen, in denen Christen vereint Gott anbeten. Es sollen nicht nur einzelne Menschen gerettet werden, sondern einzelne Menschen sollen zu Dienern und Anbetern werden und dann zu gemeinsamen Dienern und Anbetern in der Gemeinde. So ist die Ortsgemeinde das Ziel aller Evangelisation. Und die Ortsgemeinde ist auch der Ursprung aller Evangelisation, denn Evangelisation ist nicht Einzelkampf, sondern Gemeinschaftswerk: »… dass ihr fest steht in einem Geist und mit einer Seele zusammen für den Glauben des Evangeliums kämpft« (Phil 1,27).
  Die Gemeinde von Antiochia (Apg 11-13) ist das beste Beispiel dafür, wie eine Gemeinde durch Mission entsteht, missionarisches Denken quasi mit der Muttermilch aufsaugt, und bereits nur etwa ein Jahr später Missionare aussendet – Barnabas und Paulus auf die erste Missionsreise. Ihre Gemeinde in Antiochia bleibt bei ihren Missionsreisen ihr »Basislager«.
  Gott hat die Gemeinde – auch die kleine Gemeindezelle im Dorf – so ausgestattet, dass sie komplett, gesund und funktionstüchtig ist wie ein eigenständiger menschlicher Körper. Außer der direkten Verbindung mit ihrem Haupt, dem Herrn Jesus, braucht die Gemeinde nichts für ihr Leben und Wachstum. Nach der Beschreibung der verschiedenen Gaben sagt die Bibel: »… so wirkt er (Christus, das Haupt) das Wachstum des Leibes zu seiner Selbstauferbauung in Liebe.« Die Gemeinde ist in sich allgenugsam und nicht auf außer- oder übergemeindliche Strukturen oder Organisationen angewiesen. Gott hat sie so geschaffen und verordnet. An uns liegt es, dies zu glauben und zu praktizieren.
  Die Ortsgemeinde ist auch die höchste Stufe der Einheit, die es für uns zu verwirklichen gilt. Damit meine ich natürlich nicht eine örtliche Zweigstelle einer Konfession oder eine Gemeinde, die aufgrund ihrer Tradition oder Sonderlehren zusammenhält, sondern eine neutestamentliche Ortsgemeinde mit der nötigen Weite, wie oben beschrieben. Sicher bestehen auch Beziehungen zwischen den einzelnen Ortsgemeinden einer Region, eines Landes und weltweit, aber es ist nicht unsere Aufgabe, diese Beziehungen durch übergemeindliche Dachstrukturen zu zementieren. Abgesehen davon, dass die Bibel einen hierarchischen Dachverband weder lehrt noch kennt, haben sich solche zentralistisch organisierten Strukturen schon oft als fatal erwiesen. Denn wie leicht sind sie zu vereinnahmen und zu kontrollieren, vom Staat (oder durch EU-Bestimmugen) oder von anderen Mächten. Die Verwaltung der überregionalen Gemeinde gehört nicht in die Hände von Menschen oder Mächten, sondern in die Hand Christi, dem Haupt der Gemeinde. Wir alle sind die »Basis« der Gemeinde – es gibt keine überörtliche Führung. Wir alle sind die Basis – Christus ist das alleinige Haupt – wir sind direkt von ihm abhängig, nichts ist dazwischen.
[Gott] sei die Herrlichkeit in der Gemeinde und in Christus Jesus auf alle Geschlechter hin von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen (Eph 3,21).

Der Gott des Ausharrens und der Ermunterung aber gebe euch, gleichgesinnt zu sein untereinander, Christus Jesus gemäß, damit ihr einmütig mit einem Munde den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus verherrlicht (Röm 15,5).

[Home] [Über uns/ Impressum] [Wie werde ich Christ] [Biblisches] [Links/Software] [Buch Tipp] [Hauskr./Gemeinden] [Aufklärung] [Infos + Meldungen]